Familienrecht / Scheidung: Betreuungsunterhalt
Seit dem 01.01.2008 ist das geänderte Unterhaltsrecht in Kraft. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 15.06.2011 Az. XII ZR 94/09 ein weiteres Mal klargestellt, dass eine pauschalierte Betrachtung des Betreuungsbedarfs mit dem den Betreuungsunterhalt seit 2008 regelnden § 1570 BGB nicht vereinbar ist.
Die Vorinstanz, das OLG Düsseldorf, hatte zuvor den Vater auf der Grundlage von einem auf Erfahrungswerten beruhenden Beurteilungsrahmen, den das Gericht mit den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls aufgefüllt hatte, verurteilt, über das 3. Lebensjahr hinaus Betreuungsunterhalt an seine Ex-Frau zu bezahlen. Die gemeinsame Tochter der Parteien hätte zwar, so das OLG, im Rahmen der offenen Ganztagesschule auch nach der regulären Unterrichtszeit betreut werden können, dies sei aber jedenfalls deshalb nicht zuzumuten, weil das Kind über längere Zeit in einer Pflegefamilie untergebracht worden sei.
Der BGH hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Der BGH begründet seine Aufhebung damit, dass der Gesetzgeber einen auf 3 Jahre befristeten Betreuungsunterhalt eingeführt habe, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann.
Solche Billigkeitsgründe sind:
- Belange des Kindes unter der Berücksichtigung gegebener Betreuungsmöglichkeiten,
- Elternbezogene Verlängerungsgründe, bei denen die Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie die Dauer der Ehe berücksichtigt werden kann.
Dem Unterhaltsberechtigten (in der Regel die Muter) wurde durch das Gesetz die Beweislast für solche Verlängerungsgründe auferlegt.
Fazit:
Zwar verlangt auch der BGH vom betreuenden Elternteil keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollzeittätigkeit. Es ist aber Aufgabe des betreuenden Elternteils (bzw. dessen Rechtsanwalt) in einem Unterhaltsrechtsstreit solche Gründe, die für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs sprechen, vorzutragen und notfalls zu beweisen. Im durch den BGH zu entscheidenden Fall bedeutet dies, dass die Mutter zumindest Gründe vorzutragen gehabt hätte, die eine nachmittägliche persönliche Betreuung neben der offenen Ganztagesschule notwendig erscheinen lassen (z. B. die Wiederherstellung der elterlichen Bindung; Verunsicherung der Tochter nach dem Wechsel aus der Pflegefamilie; Überforderung der Mutter bei einer Vollzeitbeschäftigung etc.). Aufgabe des Gerichts ist es anschließend, diesen Vortrag im Einzelfall ohne das Abstellen auf pauschale Betrachtungen zu würdigen und ein "billiges" Urteil über den Betreuungsunterhalt zu fällen.
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