Familienrecht, Scheidung: Betreuungsunterhaltsanspruch Umfang; Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast
Der Gesetzgeber hat mit der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 von seiner Einschätzungsprärogative Gebrauch gemacht und gesetzlich normiert, dass Kinder nur bis zum Ende ihres dritten Lebensjahrs ohne unterhaltsrechtliche Nachteile persönlich betreut werden dürfen. Nach Vollendung des dritten Lebensjahres ist grundsätzlich eine bestehende Möglichkeit der Fremdbetreuung (Kindergarten, Großeltern etc.) zu nutzen. In der Zeit der Fremdbetreuung des Kindes muss der betreuende Elternteil dann arbeiten.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Kind unter der Trennung der Eltern in einem besonderen Maß leidet und daher der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedarf (BT-Drucks. 16/6890, S. 9).
Folge der Aufgabe des Vorrangs der Eigenbetreuung des Kindes durch die Eltern nach dem dritten Lebensjahr ist, dass der betreuende Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die ersten drei Jahre hinaus trägt. Der betreuende Elternteil hat dementsprechend zu beweisen, dass keine geeignete Betreuungseinrichtung vorhanden ist oder aus kindesbezogenen Gründen eine persönliche Betreuung des Elternteils erforderlich ist. Solche kinderbezogenen Gründe können auch darin liegen, dass, soweit das Kind nicht selbstständig zu eigenen Aktivitäten (Sport wie z. B. Fußballtraining, Musikunterricht etc.) gelangen kann, entsprechend notwendige Fahrleistungen als Zeit der notwendigen Eigenbetreuung zu berücksichtigen sind.
Soweit Art und Umfang der Fremdbetreuung noch den obigen Kriterien ermittelt sind, ist in einem zweiten Schritt zu klären, in welchem Umfang dem betreuenden Elternteil unter Berücksichtigung der notwendigen Fahrzeiten zur Arbeitsstätte eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist.
Der BGH betont außerdem noch einmal ausdrücklich, dass auch bei einer gegebenen Erwerbsmöglichkeit weder von dem Kind noch dem betreuenden Elternteil ein abrupter Wechsel von der elterlichen Eigenbetreuung des Kindes hin zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verlangt wird.
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Für den Unterhaltsanspruch des die Kinder betreuenden Elternteils stellt der BGH anschließend folgendes Prüfungsschema auf:
- Umfang der für die Einkünfteerzielung zur Verfügung stehenden Zeit
Nach Vollendung des dritten Lebensjahres des jüngsten Kindes ist zunächst zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine notwendige Kindesbetreuung durch eine Fremdbetreuung sichergestellt ist.
Nach der Abkehr vom früheren „Altersphasenmodell“ kommt es dabei auf das Alter des Kindes nur dann an, wenn eine Fremdbetreuung nicht zur Verfügung steht und deshalb zu prüfen ist, inwieweit das Kind ohne Aufsicht vorübergehend sich selbst überlassen bleiben kann.
- Persönliche Betreuung notwendig?
Nach dem Gesetz trifft den Unterhaltsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das dritte Lebensjahr hinaus. Entsprechend ist vom Unterhaltsberechtigten zu verlangen, dass er darlegen und beweisen muss, dass für das Kind keine kindgerechte Fremdbetreuungsmöglichkeit (Kindergarten, Schule / Hort etc.) zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung durch den Elternteil notwendig ist.
Eine solche Notwendigkeit der persönlichen Betreuung kommt entweder aus kindesbezogenen oder aus elternbezogenen Gründen in Betracht.
An die Voraussetzungen für kindesbezogene Gründe sind dabei keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Solche Gründe können bereits dann angenommen werden, wenn die besonderen Bedürfnisse eines Kindes Fahrdienste zu sportlichen, musischen oder anderen Beschäftigungen notwendig machen oder neben der Fremdbetreuung noch eine Hausaufgabenbetreuung oder eine geistige / körperliche Förderung des heranwachsenden Kindes erfolgen muss.
Bei der Frage, ob die Bedürfnisse des Kindes aus unterhaltsrechtlicher Sicht anerkannt werden, ist im Ausgangspunkt zu fragen, ob und in welcher Form die betreffenden Aktivitäten bereits vor der Trennung der Eltern durchgeführt wurden. In einer zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob die Betreuungsleistungen außer Verhältnis zu der dadurch gehinderten Erwerbstätigkeit bzw. den durch die sonst mögliche Erwerbstätigkeit zu erzielendem Einkommen stehen.
Als elternbezogene Gründe kommen das Vertrauen in eine während der Ehe vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung oder eine gerechte Lastenverteilung zwischen betreuendem Elternteil und unterhaltspflichtigem Elternteil in Betracht. So kann ein Elternteil, der bislang die gemeinsamen Kinder persönlich betreut hatte, nicht von heute auf morgen darauf verwiesen werden, die Kinder in eine Fremdbetreuung zu geben und in dieser Zeit der Fremdbetreuung einer Arbeit nachzugehen. Die gerechte Lastenverteilung verlangt, dass der betreuende Elternteil durch die am Morgen, am späten Nachmittag und am Abend regelmäßig zu erbringenden weiteren Erziehungs- und Betreuungsleistungen, deren Umfang sich nach der „Schwierigkeit“ der Kinder in ihrer jeweiligen Alters- und Entwicklungsphase richtet, nicht übermässig belastet werden darf. Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 (FamRZ 2010, 1050) lehnte der BGH hierzu jedoch ab, die Erziehungs- und Betreuungsleistungen neben der Erwerbstätigkeit auf einen 8-Stundentag zu begrenzen. Weil der BGH in der hier besprochenen Entscheidung für die Betreuung von 3 Kindern (17, 15 und 12 Jahren) eine Minderung der Erwerbsverpflichtung um 20 % akzeptierte, darf unterstellt werden, dass auch zukünftig die Leistungen des betreuenden Elternteils mit einer nicht unerheblichen Einschränkung der Erwerbsverpflichtung selbst bei „älteren Kindern“ berücksichtigt werden können.
- Umfang der zumutbaren Erwerbstätigkeit
Nach der bisherigen Prüfung steht fest, in welchem Umfang die Kinder anderweitig betreut werden können. Als nächster Schritt ist deshalb nun zu klären, wie eine mögliche Erwerbstätigkeit (einschließlich der Fahrzeiten zur Arbeitsstelle) mit der Kinderbetreuung vereinbar und in welchem zeitlichen Rahmen sie für den betreuenden Elternteil zumutbar ist.
Im einzelnen können Sie die BGH-Entscheidung hier nachlesen.
Fazit:
Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BGH steht fest, dass von dem betreuenden Elternteil ein erheblicher Darlegungs- und Beweisaufwand zur Durchsetzung seines ihm gesetzlich zustehenden Betreuungsunterhalts verlangt wird.
Dennoch ist die vielfach nach einer Trennung anzutreffende Angst des betreuenden Elternteils, nach dem dritten Geburtstag des Kindes keinen eigenen Unterhaltsanspruch mehr zu haben, unbegründet.
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