Familienrecht / Scheidung: Ehegattenunterhaltsrechtsprechung bei Neuverheiratung verfassungswidrig
Die mit der Unterhaltsreform neu begründete Rechtsprechung des BGH nach der sogenannten Drittelmethode löst sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25.01.2011 (Az. 1 BvR 918/10) soweit vom Gesetz, dass sie mit den anerkannten Auslegungsmethoden nicht mehr vereinbar ist.
Das Ziel der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), das mit der Unterhaltsberechnung nach der Drittelmethode verfolgt wurde, ist, dem Unterhaltsverpflichteten die Möglichkeit einzuräumen durch eine Neuverheiratung eine 2. neue Familie zu gründen. Dieses Ziel verfolgte auch der Gesetzgeber bei der Unterhaltsrechtsreform in dem er unter anderem der 2. (neuen) Ehefrau unter gewissen Voraussetzungen unterhaltsrechtlich den gleichen Rang, wie der ersten Ehefrau eingeräumt hat. Der BGH hat diesen Ansatz weiterverfolgt und seine Rechtsprechung nach der Drittelmethode geprägt. Diese Rechtsprechung hat sich nunmehr nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts so weit vom Gesetz gelöst, dass sie auch als richterliche Rechtsfortbildung nicht mehr haltbar ist.
Dies hat zur Folge, dass den ersten Ehefrauen in Zukunft wieder mehr Unterhalt zustehen wird. Ehefrauen deren Unterhalt im Wege der Dreiteilung gekürzt wurde, steht damit ein Abänderungsverfahren offen, mit dem sie wieder mehr Unterhalt (evtl. sogar rückwirkend) begehren können.
Daneben vertritt unter anderem das OLG München derzeit die Auffassung, das aus der Entscheidung des BVerfG abgeleitet werden muss, dass es für die 1. Ehefrau bei dem im Rahmen der Ehescheidung festgestellten Unterhaltsbedarf verbleibt. Die vom BGH geprägte Rechtsprechung der stets wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse gilt damit zumindest in Bayern, bis zu einer ersten Entscheidung des BGH nicht mehr.
Gerade den 1. Ehefrauen muss bei der derzeitigen Gesetzes- und Rechtsprechungslage dringend angeraten werden, ihren höheren Unterhaltsanspruch geltend zu machen. Für außergerichtliche Vergleichsverhandlungen oder eine gerichtliche Verfolgung der Ansprüche ist durch das Bundesverfassungsgericht ein weiter Spielraum eröffnet worden.
Welche Auswirkungen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat, soll über das nachstehende Beispiel (das aufgrund noch nicht vorhandener höchstrichterlicher Urteile keinen Anspruch auf Richtigkeit erheben kann) anschaulich gemacht werden:
Beim Beispiel gehe ich davon aus, dass beim Einkommen Mann bereits der Kindesunterhalt und sämtliche unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähigen Belastungen abgezogen sind. Bei F 1 und F 2 sind ebenfalls die berücksichtigungsfähigen Belastungen bereits abgezogen. Eine von manchen Gerichten angesetzte Ersparnis durch Zusammenleben des Mannes und F 2 habe ich für das Beispiel vernachlässigt. Ob der Kindesunterhalt eines aus der zweiten Ehe hervorgegangenen Kindes dem Unterhaltsanspruch der 1. Ehefrau entgegengehalten werden kann, wird sich erst nach einer Verfestigung der Rechtsprechung abschließend beurteilen lassen.
bereinigtes) Einkommen Mann: 2.000,- €
(bereinigtes) Einkommen F 1: 1.000,- €
(bereinigtes) Einkommen F 2: 400,- €
grobe Berechnung vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Bedarf F 1 und F 2: [(2.000,- € x 10%) + (1.000,- € x 10 %) + (400,- € x 10 %)]:3 = 1.020,- €
Unterhaltsanspruch F 1: 1.020,- € - (1000,- € x 10%) = 120,- €
Unterhaltsanspruch F 2: 1.020,- € - (400,- € x 10 %) = 660,- €
Mann verbleibt: 1.220,- €
Familie M und F2 verbleiben: 2.280,- € (1220,- € + 660,- € + 400,- €)
voraussichtliche Berechnung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Bedarf F 1: [(2.000,- € x 10%) + (1.000,- € x 10 %)]:2 = 1.350,- €
Unterhaltsanspruch F 1: 1.350,- € - (1000,- € x 10%) = 450,- €
Unterhaltsanspruch F 2: [(2.000,- € - 450,- € - 10 %) + (400,- € x 10 %)]: 2 = 877,50 €
Unterhaltsanspruch F 2: 877,50 € - (400,- € x 10%) = 517,50 €
Mann verbleibt: 1.032,50 €
Familie M und F 2 verbleiben: 1.950,- € (1.032,50 € + 517,50 € + 400 €) somit 330,- € weniger
Wie darauf der Gesetzgeber, die Obergerichte, wie das OLG München reagieren und wie der BGH mit dem Urteil des BVerfG umgehen ist noch unklar.
Als Rückschluss aus der Vergangenheit steht jedoch fest, dass die Unterhaltsrechtsprechung nichts Statisches ist, sondern eher wellenförmig verläuft. Derzeit scheint das Pendel wieder eher Richtung Frauen auszuschlagen.
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