Trennung / Scheidung dem Kind erklären
Das Wichtigste vorweg:
Es hilft, sich zu vergegenwärtigen, dass die Phase der Trennung / Scheidung der Eltern für Ihre Kinder mindestens eine genauso große Umbruchphase ist, wie für die Eltern selbst. Für Ihre Kinder kommt erschwerend hinzu, dass sie auf den Trennungsprozess keinen Einfluss haben und ihre wichtigsten Bezugspersonen, ihre Eltern, vor allem bis zum Abschluss ihrer Scheidung häufig mit sich und ihrer eigenen Gefühlswelt beschäftigt sind. Nehmen Sie sich deshalb in der Zeit bis zum Abschluss der Scheidung bewusst immer wieder Zeit, in der Sie allein auf die Bedürfnisse Ihrer Kinder eingehen. Studien haben außerdem gezeigt, dass es eine große Entlastung für Kinder ist, wenn auch nach der Trennung beide Eltern für das Kind verfügbare Bezugspersonen bleiben. Wenn es Ihnen dann noch gelingt, auch während der Scheidung mit dem anderen Elternteil bei den anstehenden finanziellen Auseinandersetzungen fair umzugehen, wird es auch Ihren Kindern gelingen, mit der Trennung seiner Eltern gut umgehen zu können.
Das gerade Zusammengefasste ist das Ergebnis vieler Studien zu Scheidungskindern in der Trennungs- und Konfliktforschung. Aus den Ergebnissen der Forschung lassen sich folgende Empfehlungen für die Begleitung Ihrer Kinder bei einer Trennung ableiten:
Warum ein Gespräch über die Trennung / Scheidung wichtig ist
Für Ihr Kind sind Sie die wichtigsten Erwachsenen auf der Welt, Vater und Mutter, seine Eltern. Durch die Trennung wird einer dieser wichtigsten Menschen im Leben Ihres Kindes zumindest nicht mehr so wie früher kontinuierlich verfügbar sein. Diese Situation, in die Ihr Kind durch die Trennung seiner Eltern gestürzt wird, löst bei den meisten Kindern Verlustängste aus. Ihr Kind könnte z. B. denken, wenn Mama vom Papa (oder umgedreht) verlassen werden kann, was für die meisten Kinder bislang nicht vorstellbar war, dann kann das auch mit mir passieren. Vor allem jüngere Kinder leben außerdem in einer weitgehend selbstzentrierten Welt. Aus dieser natürlichen Weltsicht suchen Kinder für Geschehnisse, mit denen sie konfrontiert werden, eine Erklärung bei sich selbst. Übertragen auf Ihre Trennung / Scheidung kann das heißen, dass Ihr Kind sich für Ihre Trennung verantwortlich fühlt, weil es z. B. nicht brav war und Mama und Papa deswegen miteinander gestritten haben.
Das Gespräch mit Ihrem Kind vermittelt: „Du bist mir wichtig.“ Allein die Tatsache, dass Sie mit Ihrem Kind das Gespräch über die Trennung suchen, ist deshalb schon ein positives Signal für Ihr Kind. Dieses positive Signal entsteht unabhängig vom Inhalt.
Der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch, das Ihrem Kind die Trennung erklärt
Sobald für die Eltern die Trennung unausweichlich ist und sich die Eltern im Klaren sind, wie es weiter gehen soll (wo wird Ihr Kind wohnen, wie wird der Alltag Ihres Kindes aussehen, wer bringt das Kind wohin …) ist der richtige Zeitpunkt für das Gespräch gekommen.
Wie soll das Gespräch über die Trennung geführt werden
Bereiten Sie sich gemeinsam mit dem anderen Elternteil auf das Gespräch vor. Klären Sie im Vorfeld, welche Themen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind im ersten Gespräch besprechen wollen. Dazu einige Anregungen:
Hilfreich in der Trennungs- und Scheidungsphase ist für Ihr Kind, wenn Sie ihm die Botschaft vermitteln können, dass Sie zwar nicht mehr als Ehepaar zusammenleben wollen, sich aber Mama und Papa nicht von Ihrem Kind trennen und stattdessen beide für Ihr Kind weiterhin seine verfügbaren Eltern bleiben werden. Der richtige Gesprächsrahmen ist deshalb, soweit das bei Ihnen ohne Streit möglich ist, wenn sich beide Eltern in Ruhe mit Ihrem Kind gemeinsam zu einem Gespräch zusammensetzen.
Machen Sie Ihrem Kind im Gespräch deutlich, dass die Verantwortung für das Finden von Lösungen bei den Eltern und nicht bei Ihrem Kind liegt und vor allem Ihr Kind keine Schuld für die Trennung und anstehende Scheidung trägt.
Um Ihr Kind vor Loyalitätskonflikten zu bewahren, sollte Sie ihm zwar jede Verantwortung abnehmen, Sie sollten Ihrem Kind aber auch eine Möglichkeit der Mitbestimmung geben. Dazu können Sie schon im ersten Gespräch Ihr Kind ermutigen, eigene Ideen einzubringen, wie sein Alltag gestaltet werden soll. Durch ein solches Mitbestimmungsrecht vermeiden Sie, dass sich Ihr Kind dem Trennungsprozess machtlos ausgeliefert fühlt und stattdessen ein Stück Kontrolle über die anstehenden Entwicklungen, die auch sein Leben entscheidend verändern werden, erhält.
Bereiten Sie sich auf Fragen Ihres Kindes vor wie z. B.:
- Ist es meine Schuld, dass Ihr Euch trennt / scheiden lasst?
- Liebt Ihr mich noch?
- Werdet Ihr auch mich verlassen?
- Wie sieht zukünftig mein Leben aus?
Wie soll das Gespräch mit Ihrem Kind nicht geführt werden
Für Ihr Kind geht es darum, dass seine Eltern nach ihrer Trennung / Scheidung zukünftig nicht mehr zusammenleben werden.
Ihrem Kind geht es dabei nicht darum, dass der bisherige Partner zum Ex-Partner wird etc. Für Ihr Kind geht es nicht darum, wer wen verlassen hat oder wer an der Trennung der Eltern Schuld trägt. Die Klärung solcher oder ähnlicher Fragen nutzt keinem. Ihr Kind stürzen Sie mit einer solchen Klärung nur in Loyalitätskonflikte. Dem „verlassenen Elternteil“ mag die Klärung einer solchen Frage kurzfristige Befriedigung verschaffen. Längerfristig dürfte aber auch dieser Elternteil ein Interesse daran haben, dass der Umgang des Kindes mit seinen Eltern wechselseitig funktioniert, Sie sich als Eltern auch nach der Trennung / Scheidung über wichtige Themen des Kindes abstimmen können, der Unterhalt pünktlich bezahlt wird …
Wie geht es nach dem ersten Trennungsgespräch weiter?
Das erste Gespräch nach der Trennung, das vermutlich auch für Sie selbst das Schwierigste sein wird, sollte die Eröffnung eines immer wieder aufzunehmenden Dialogs bleiben.
Ihr Kind wird vor allem den betreuenden Elternteil immer wieder traurig erleben. Hinzu kommt, dass das Kind sich durch den wegziehenden Elternteil verlassen fühlt. Aus Sicht Ihres Kindes ist es daher folgerichtig, dass es eine engere Bindung zum „verbleibenden“ Elternteil sucht.
Damit sich die Beziehung zu beiden Elternteilen wieder normalisiert, benötigt Ihr Kind neben Zeit vorwiegend Sicherheit und Vertrauen. Hilfreich sind außerdem „Bezugspersonen“ außerhalb der engsten Familie, die zuhören und ihr Kind mit seinen Ängsten und Bedürfnissen ernst nehmen. Das können Großeltern, Lehrer / Erzieher, etc. sein.
Wie sollte es nach dem ersten Gespräch nicht weiter gehen?
Dass es gerade nach einer Trennung / Scheidung schwerfällt, dem Ex-Partner zu vertrauen, ist eine ganz normale Sache. Dennoch wird der Abstimmungsbedarf zwischen Ihnen als Eltern durch die Trennung jetzt eher mehr als das vor Ihrer Trennung bisher der Fall war.
Die Qualität dieser Kommunikation entscheidet erheblich darüber, wie gut Ihr Kind mit der Trennung umgehen kann. Je mehr Ihr Kind merkt, dass Sie den anderen Elternteil als solchen weiter schätzen, desto einfacher wird es Ihrem Kind fallen, mit der Trennung umgehen zu können.
Vermeiden sollten Sie deshalb alles, was Ihr Kind in Loyalitätskonflikte stürzt.
Solche Loyalitätskonflikte entstehen für Ihr Kind gerade dann, wenn Sie sich als Eltern misstrauen, den anderen Elternteil schlechtmachen etc. Ein solches Verhalten führt bei Ihrem Kind nämlich zu inneren Widersprüchen. Ihr Kind liebt auf natürliche Weise Sie und den anderen Elternteil als seine Eltern. Ihr Kind möchte es deshalb diesen beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben „Recht machen“. Dieses Grundbedürfnis eines jeden Kindes funktioniert nicht mehr, sobald ein Elternteil dem Kind signalisiert, dass er den anderen Elternteil nicht mehr schätzt oder gar hasst. Stattdessen benötigt Ihr Kind die sowohl implizite als auch explizite Erlaubnis der Eltern, weiterhin beide Eltern lieben zu dürfen.
Entsprechend sollten Sie alles vermeiden, was Ihr Kind in die Situation bringt, dass es sich zwischen der Loyalität zu dem einen oder dem anderen Elternteil entscheiden muss.
Das kann etwa sein:
- Geheimnisse vor dem anderen Elternteil zu haben,
- das Austragen von Streitigkeiten vor dem Kind,
- das Ausnutzen Ihres Kindes als Boten für Mitteilungen an den anderen Elternteil,
- Versuche das Kind zu Ihrem Verbündeten zu machen.
Abschließendes
Sie stehen bei einer Trennung und Scheidung, wenn Sie mit Ihrem Ex-Partner gemeinsame Kinder haben, vor einer Herausforderung. Anders als bei früheren Trennungen können Sie Ihrem Ex-Partner durch das gemeinsame Kind nicht mehr einfach aus dem Weg gehen. Stattdessen steigt vor allem am Anfang sogar die Notwendigkeit zum Gespräch.
Die Zeit und Energie, die Sie für diesen Prozess mit Ihrem Ex-Partner investieren, ist langfristig jedoch gut angelegt. Je besser Sie sich als Eltern verstehen, desto mehr werden Sie sich zukünftig gegenseitig entlasten können. Leider gilt entsprechend auch umgedreht, dass je schlechter Sie sich als Eltern verstehen, Sie sich zukünftig mit großer Wahrscheinlichkeit wechselseitig immer größere Steine gegenseitig in den Weg legen.
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